Vorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistung bei Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter

Umsatzsteuer

Vorsteuer aus Insolvenzverwalterleistungen war bislang regelmäßig nach dem Verhältnis der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen aufzuteilen. Wie der BFH dies sieht, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen tatsächlich weiterführt, lesen Sie in diesem Beitrag.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2024 (Az. XI R 20/22) hat der BFH eine bedeutsame Weichenstellung im Umsatzsteuerrecht vorgenommen. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie der Vorsteuerabzug aus der Vergütung des Insolvenzverwalters zu beurteilen ist, wenn dieser das Unternehmen des Schuldners fortführt. Das Urteil konkretisiert die Voraussetzungen für eine alternative Methode der Vorsteueraufteilung und schafft einen bedeutenden Ausnahmetatbestand zur bisherigen Rechtsprechung.

Hintergrund der Entscheidung

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung war bei Insolvenzverwalterleistungen der Vorsteuerabzug bislang regelmäßig nach dem Verhältnis der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen aufzuteilen – differenziert nach unternehmerischen und nichtunternehmerischen Verbindlichkeiten. Diese Methode reflektiert den Umstand, dass die Tätigkeit des Insolvenzverwalters üblicherweise auf die Abwicklung und Verwertung der Masse gerichtet ist.

Vor dem Hintergrund eines Sonderfalls – der unternehmerischen Fortführung durch den Insolvenzverwalter – sah sich der XI. Senat jedoch zu einer dogmatischen Korrektur veranlasst. Der BFH positioniert sich hier ausdrücklich gegen seine frühere Linie aus den Entscheidungen V R 44/14 und V R 15/15 und öffnet die Tür für eine umsatzorientierte Betrachtung der Vorsteueraufteilung, sofern die Fortführungstätigkeit überwiegt.

Sachverhalt des Streitfalls

Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, in dem der Insolvenzverwalter – ein IT-Administrator – das Unternehmen des Schuldners nicht liquidierte, sondern fortführte. Während des Verfahrens wurden durch operative Tätigkeiten steuerpflichtige Umsätze von über 249.000 € erzielt. Die Verwertung des Privatvermögens spielte mit 178,50 € eine marginale Rolle. Der Kläger beantragte daher den 

Vorsteuerabzug aus seiner Vergütung auf Basis der während des Verfahrens erzielten Umsätze – was rechnerisch zu einem Abzugsvolumen von über 97 % führte.

Das Finanzamt hingegen bestand auf der klassischen Aufteilung nach der Struktur der Insolvenzforderungen und gestand lediglich 17 % der Vorsteuer zu. Der daraufhin angestrengten Klage gab das Finanzgericht Köln statt – das Urteil wurde vom BFH nun bestätigt.

Die Kernaussage des BFH

Der BFH erkennt an, dass in Fällen einer echten Unternehmensfortführung, bei der keine nennenswerten Verwertungshandlungen erfolgen, der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung des Insolvenzverwalters und den früheren Unternehmensverbindlichkeiten entfällt. Stattdessen sei die erbrachte Leistung auf die fortgeführte wirtschaftliche Tätigkeit gerichtet.

In dieser Konstellation stellt die Insolvenzverwaltervergütung Gemeinkosten des fortgeführten Unternehmens dar. Für die Vorsteueraufteilung ist dann nicht mehr das Verhältnis der angemeldeten Forderungen, sondern das Verhältnis der im Besteuerungszeitraum erzielten Umsätze maßgeblich – unabhängig davon, ob diese steuerpflichtig, steuerfrei oder nichtwirtschaftlich sind. Dies bedeutet eine klare Abkehr vom bisherigen Standard bei gleichzeitig enger Auslegung: Der Ausnahmefall greift nur, wenn das Unternehmen tatsächlich fortgeführt und das Privatvermögen kaum verwertet wird.

Fazit und Bewertung

Die Entscheidung stärkt die wirtschaftliche Realität über formale Rechtsstrukturen. Sie erkennt an, dass die Tätigkeit des Insolvenzverwalters unter bestimmten Bedingungen inhaltlich eher der eines Sanierungsberaters oder Geschäftsführers gleicht – nicht eines Liquidators. Für die Praxis bedeutet dies: Wo ein Insolvenzverwalter ein Unternehmen aktiv weiterführt und mit nennenswerten Umsätzen betreibt, ist die Vorsteueraufteilung anhand der operativen Tätigkeiten vorzunehmen.

Die Tragweite dieser Entscheidung liegt in der Schaffung eines belastbaren Ausnahmegrundsatzes, der eine differenziertere steuerliche Behandlung insolvenzbedingter Leistungen ermöglicht. Gleichwohl bleibt der Grundsatz bestehen, dass eine echte Betriebsfortführung mit „so gut wie keiner Verwertung“ die zwingende Voraussetzung ist.

Fundstelle

BFH 23.10.2024 XI R 20/22

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