Bereits mit Schreiben vom 08.07.2021 hatte sich das BMF mit der Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern (Tätigkeit: Kontrolle der Geschäftsführung) beschäftigt und darauf abgestellt, dass ohne Vergütungsrisiko keine selbstständige Tätigkeit besteht. Bei gemischten Vergütungen (teils mit, teils ohne Risiko, d. h. teils variable, teils fixe Vergütung) wurde eine 10 %-Grenze aufgestellt: Nur wenn die variablen Bestandteile mind. 10 % pro Jahr betragen, liegt eine unternehmerische Tätigkeit vor.
Wesentlicher Teil der Neuregelung ist, dass die 10 %-Grenze als Prognose auf den Beginn des Geschäftsjahrs der Gesellschaft geprüft wird. Nachträgliche Änderungen im Geschäftsjahr bleiben unberücksichtigt. Damit wird dem Problem begegnet, dass ein Überschreiten der Grenze im laufenden Jahr zu einer rückwirkenden unternehmerischen Behandlung der bisherigen Zahlungen führen würde. Da es sich um eine Prognose handelt, kommt es auf die aus Sicht des Beginns des Geschäftsjahrs geplanten Sitzungen an. Die Sitzungsgelder sind in die Prüfung der 10 %-Grenze einzubeziehen, auch wenn das Aufsichtsratsmitglied an der Sitzung gar nicht teilnimmt und folglich keine Vergütung erhält.
Für Geschäftsjahre, die vor dem 01.01.2022 begonnen haben, kann das Aufsichtsratsmitglied trotz Vergütungsrisiko als nicht selbstständig behandelt werden. Für Geschäftsjahre ab dem 01.01.2022 sind die neuen Grundsätze zwingend anzuwenden.
Hinweis
In der Regel werden die Vergütungen von der Gesellschaft im Gutschriftsweg abgerechnet. Geht die Gesellschaft von einer selbstständigen Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds aus, wird sie die Gutschrift mit gesondertem Steuerausweis erteilen und den Vorsteuerabzug (unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG) geltend machen. Die jetzt eingeführte Prognoseregelung führt dazu, dass es nicht zu einem rückwirkenden Wegfall des Vorsteuerabzugs kommen kann, wenn die 10 %-Grenze wider Erwarten nicht erreicht wird.