Steuerliche Entlastung alleinerziehender Eltern im paritätischen Wechselmodell

Einkommensteuer

Trennen sich Eltern, wird heute häufig das sog. paritätische Wechselmodell praktiziert. Welche steuerlichen Entlastungen den Elternteilen dann zustehen, hatte jüngst der BFH zu entscheiden.

Hintergrund

Jens war in einem paritätischen Wechselmodell zusammen mit Jana für die Betreuung ihres Kindes verantwortlich. Das bedeutet, dass das Kind abwechselnd in annähernd gleichen Zeitverhältnissen bei dem jeweiligen Elternteil lebt. 

Jens beantragte für das Streitjahr 2015 den Abzug der hälftigen Kinderbetreuungskosten, den hälftigen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sowie den einfachen Kinderfreibetrag. Die Kinderbetreuungskosten waren von Jana vollständig gezahlt worden, während Jens argumentierte, dass ihm eine entsprechende steuerliche Entlastung zustehe, da Jana das volle Kindergeld zur Verfügung hatte und damit die Kinderbetreuungskosten gezahlt hat. 

Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Klage ab und entschied, dass dem Kläger weder der Sonderausgabenabzug für die Kinderbetreuungskosten noch der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zustehe. Außerdem sei das hälftige Kindergeld im Rahmen der Günstigerprüfung nach § EStG anzurechnen.

Kinderbetreuungskosten: 

Die entscheidende Voraussetzung für den Abzug von Kinderbetreuungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG ist, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen tatsächlich selbst getragen hat. Im vorliegenden Fall hatte Jana die Betreuungskosten vollständig gezahlt, weshalb Jens der Sonderausgabenabzug nicht gewährt wurde. Der BFH stellte klar, dass eine Erstattung der Kosten durch den Kläger hätte nachgewiesen werden müssen. Auch der bloße Verweis auf die Überlassung des Kindergeldes reichte nicht aus, um den Abzug zu rechtfertigen​.

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende: 

Ebenso verwehrte der BFH dem Kläger den Entlastungsbetrag nach § 24b EStG. Erfüllen bei annähernd gleichwertiger Haushaltsaufnahme des Kindes beide Elternteile die Voraussetzungen für den Abzug des Entlastungsbetrags, ist für die Entscheidung, wem dieser zusteht, analog § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG grundsätzlich vorrangig den Berechtigten die Bestimmung zu überlassen, wer von ihnen den Entlastungsbetrag erhalten soll, unabhängig davon, an welchen Berechtigten das Kindergeld ausgezahlt wird (BFH-Urteil vom 28.04.2010 - III R 79/08). Treffen die Berechtigten hinsichtlich des Entlastungsbetrags keine Bestimmung untereinander, steht der Entlastungsbetrag demjenigen zu, an den das Kindergeld gezahlt wird (BFH-Urteil vom 28.04.2010 - III R 79/08). 

Aus der Konkurrenzregelung des § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG ergibt sich, dass der Entlastungsbetrag wegen desselben Kindes für denselben Monat nur einem Berechtigten gewährt wird, auch wenn mehrere Berechtigte die Voraussetzungen für seine Gewährung erfüllen; eine Aufteilung ist nicht vorgesehen (BFH-Urteil vom 28.04.2010 - III R 79/08).

Kinderfreibetrag:

Gemäß § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach § 62 ff. EStG bewirkt, je nachdem, was für den Steuerpflichtigen günstiger ist (§ 31 Satz 4 Halbsatz 1 EStG). 

Bei nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eltern wird bei der Günstigerprüfung grundsätzlich die Hälfte des Kindergeldanspruchs dem steuerlichen Ergebnis des Abzugs des einfachen Kinderfreibetrags vom Einkommen gegenübergestellt, und zwar unabhängig davon, ob der jeweilige Elternteil die tatsächliche Verfügungsmacht über das Kindergeld erlangt hat.

Im Urteilsfall war das hälftige Kindergeld günstiger als die steuerliche Entlastung durch den einfachen Kinderfreibetrag, sodass der Kinderfreibetrag nicht zu gewähren ist.

Bedeutung für die Praxis
Das Urteil unterstreicht, dass in Fällen gemeinsamer Betreuung der Kinder durch beide Elternteile eine klare Aufteilung der Kosten und deren Nachweis erforderlich sind, um steuerliche Ansprüche durchzusetzen. Mandanten sollten im Vorfeld entsprechend beraten werden.

 

Fundstelle

§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG, § 24b EStG, § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG 

BFH-Urteil , 10.07.2024, III R 1/22

 

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