Operative Fettabsaugung (Liposuktion) als außergewöhnliche Belastung

Einkommensteuer

Aufwendungen für eine Liposuktion sind jedenfalls ab dem Jahr 2016 regelmäßig ohne Vorlage eines vor den Operationen erstellten amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Gem. § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen.

In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen.

Die Zwangsläufigkeit krankheitsbedingter Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel hat der Steuerpflichtige durch eine Verordnung seines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen, § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV.

Im Fall von wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden kann der Nachweis der Zwangsläufigkeit nur durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erbracht werden, § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstabe f EStDV. Dieser Nachweis muss vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestellt worden sein, § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV.

Der Streitfall

Frieda Müller (F) litt seit Jahren an einem Lipödem (krankhafte Fettverteilungsstörung). Konservative Behandlungen (Ernährung, Sport, Entstauungstherapie) hatten keine Besserung bewirkt. Deshalb unterzog sie sich im Streitjahr (2017) auf Anraten ihres behandelnden Arztes einer Liposuktion.

Die Krankenkasse übernahm die Kosten der Operation nicht.

Frieda machte den Aufwand für die Liposuktion als außergewöhnliche Belastung (agB) geltend.

Das Finanzamt (FA) lehnte dies unter Berufung auf BFH-Rechtsprechung zu früheren Zeiträumen ab. Das FA vertrat die Auffassung, dass es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode handeln würde. Eine Anerkennung der Kosten als agB wäre deshalb gem. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstabe f EStDV nur möglich, wenn Frieda vor der Operation ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung eingeholt hätte.

Frieda war damit nicht einverstanden und hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hat den Abzug der Aufwendungen als agB zugelassen.

Was sagt der BFH?

Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Entscheidung des FG bestätigt.

Inzwischen (jedenfalls ab 2016) besteht über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der Liposuktion bei einem Lipödem unter den Medizinern kein nennenswerter Streit mehr.

Die Liposuktion ist keine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode i. S. v. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstabe f EStDV. Ein formalisierter Nachweis durch ein ärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung eines MDK ist daher nicht erforderlich.

Ob eine neue Behandlungsmethode zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zählt, ist für die Beurteilung, ob es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode handelt, nicht entscheidend.

Die bei Frieda durchgeführte Liposuktion hat nicht kosmetischen Zwecken gedient, sondern war medizinisch indiziert. Daher hat es für die Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastungen, ebenso wie bei anderen Krankheitsaufwendungen, nicht der Vorlage eines vor der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung bedurft.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 23.03.2023, VI R 39/20

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