Ohne Zuwendungswillen keine verdeckte Gewinnausschüttung

Körperschaftsteuer

Liegt eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter vor, wenn ein Zuwendungswillen fehlt? Dies musste jetzt der BFH entscheiden.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) ist nach ständiger Rechtsprechung eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht, R 8.5 Abs. 1 Satz 1 KStR.

Zur Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis erfüllt ist, ist ein Vergleich mit dem Verhalten eines gedachten, ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters vorzunehmen.

Sachverhalt

Geklagt hatte die X- GmbH, an der Susi Sorglos zu 100 % beteiligt war. Susi Sorglos wollte das Stammkapital der X-GmbH unter anderem durch Einbringung eines 100%igen Geschäftsanteils an einer weiteren GmbH, der A-GmbH, erbringen.

Sie plante außerdem, eine Kapitalerhöhung bei der A-GmbH durchzuführen und entschloss sich, die Kapitalerhöhung erst nach der Einbringung durchzuführen, also durch die X-GmbH vornehmen zu lassen.

Bei der Beurkundung beim Notar wurde ein vom Entwurf abweichender Beschlusstext beurkundet. Demnach übernahm Susi Sorglos den im Rahmen der Kapitalerhöhung entstandenen Geschäftsanteil an der A-GmbH und nicht wie geplant die X-GmbH.

Das Finanzamt sah hierin eine vGA der X-GmbH an ihre Gesellschafter-Geschäftsführerin.

Die X-GmbH sah die Sache anders: Die Zuwendung an die Gesellschafter-Geschäftsführerin erfolgte irrtümlich aufgrund eines Versehens bei der notariellen Beurkundung der Kapitalerhöhung.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen, weil einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter der von der X-GmbH dargelegte Irrtum nicht unterlaufen wäre.

Entscheidung des BFH

Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der

Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

Es bedarf in der Regel weder der Absicht, Gewinne verdeckt auszuschütten, noch eines entsprechenden Ausschüttungsbewusstseins. Der handelnde Gesellschafter muss nicht mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis handeln, er muss den Tatbestand der vGA nicht kennen und er muss das Geschehene auch nicht richtig würdigen, vielmehr genügt in aller Regel ein persönlich zurechenbares Handeln.

Keine vGA, wenn Zuwendungswille fehlt

Der BFH stellt klar, dass die oben genannten Grundsätze nicht uneingeschränkt gelten, weil es zur Annahme einer vGA (so wie bei einer offenen Gewinnausschüttung) eines Zuwendungswillens bedarf. Ohne Zuwendungswillen ist die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zu verneinen. Ein Irrtum über die Zuwendung schließt somit eine vGA aus. In diesen Fällen fehlt es an der konkreten Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis.

Dies könnte bei subjektiven Entschuldigungsgründen (aufgrund Unerfahrenheit oder der besonderen persönlichen Situation des Handelnden) der Fall sein.

Maßgebend ist insoweit, ob der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer einem entsprechenden Irrtum unterlegen ist, nicht hingegen, ob einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter der Irrtum gleichfalls unterlaufen wäre.

Zurückverweisung an das FG

Der BFH hat den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen.

Hinweis

Die objektive Beweislast für das Vorliegen der vGA liegt beim Finanzamt. Die objektive Beweislast für die betriebliche und nicht gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt aber auf Seite des Steuerpflichtigen.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 22.11.2023 I R 9/20

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