Mitberichtigung von materiellen Fehlern bei Zusammenveranlagung

Abgabenordnung

Mitberichtigung von Fehlern i. S. d. § 177 AO vom anderen Ehegatten bei Zusammenveranlagung.

Bei dem selbstständig tätigen Architekten Michael deckt das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung ein Mehrergebnis aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen mit einer steuerlichen Auswirkung von 5.000 EUR auf. 

Kurz vor Erteilung der entsprechenden Änderungsbescheide beantragt Annabelle, die Ehefrau von Michael, den Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus ihrer nichtselbstständigen Arbeit mit einer steuerlichen Auswirkung von - 1.000 EUR. Diese (materiellrechtlich zutreffenden) Werbungskosten hat sie unstreitig verschuldet verspätet vorgebracht. Michael und Annabelle wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die (Erst-)Bescheide standen nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung. Können diese Werbungskosten im Rahmen der Änderungsbescheide verfahrensrechtlich noch berücksichtigt werden?

Bei Michael liegen die Voraussetzungen für die Änderung des Steuerbescheides wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor. Die steuerliche Auswirkung beträgt + 5.000 EUR.

Bei Annabelle könnte die Steuerfestsetzung ggfs. aufgrund neuer Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) um - 1.000 EUR geändert werden. Dies scheitert aber laut Sachverhalt am groben Verschulden. Mangels anderer Korrekturnormen könnte allenfalls eine (Mit-)Berichtigung nach § 177 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AO in Betracht kommen. Problematisch dabei ist, dass es sich bei der Einkommensteuerveranlagung trotz vorliegender Zusammenveranlagung um zwei getrennt vorliegende Verwaltungsakte handelt. Zum einen erfolgt die Änderung der Steuerfestsetzung bei der Steuerfestsetzung von Michael, zum anderen begehrt Annabelle die Änderung bei ihrer Steuerfestsetzung.

Im Rahmen des § 177 AO sind zusammen zu veranlagende Ehegatten ungeachtet des § 155 Abs. 3 AO jedoch als ein Steuerpflichtiger zu behandeln. Die (Mit-)Berichtigung der Werbungskosten von Annabelle hat also - soweit die Änderung bei Michael reicht - zwingend zu erfolgen.

Fundstelle

Urteil des FG Hamburg, 10.06.2022, 2 K 55/21

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