Mieterabfindungen sind keine anschaffungsnahen Herstellungskosten

Einkommensteuer

Mieterabfindungen, die nach dem Erwerb einer Immobilie gezahlt werden, um die Renovierung des Gebäudes durchführen zu können, sind keine anschaffungsnahen Herstellungskosten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Es handelt sich um sofort abzugsfähige Werbungskosten.

Zu den (fiktiven) Herstellungskosten eines Gebäudes gehören gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die USt 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage, sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar. 

Gehören Abfindungen, die an Mieter direkt nach dem Erwerb der Immobilie gezahlt werden, um die Renovierung durchführen zu können, zu den Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG? Diese Frage hat der BFH nun geklärt. 

Der Streitfall

Im Streitfall hat die Lustig-GbR im März 2016 ein denkmalgeschütztes Gebäude mit 4 Wohnungen für 1,2 Mio. EUR erworben. Vom Kaufpreis entfielen 837.000 EUR auf das Gebäude. 

Anschließend renovierte sie das Objekt bis 2018 für insgesamt rund 615.000 EUR. Sowohl vor Durchführung der Renovierung als auch im Anschluss daran wurde die Immobilie ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet.

Um die Renovierung zügig durchführen zu können, zahlte die GbR den im Zeitpunkt des Erwerbs dort wohnenden Mietern für die vorzeitige Räumung ihrer Wohnungen einen Betrag i. H. v. insgesamt 35.000 EUR. Ohne diese "Entmietung" hätte die Renovierung nur umständlicher und mit größerem Zeitaufwand durchgeführt werden können. Sie wäre technisch aber auch ohne vorherige Räumung der Wohnungen möglich gewesen.

Die Abfindungen an die Mieter hatte die GbR als sofort abzugsfähige Werbungskosten geltend gemacht. Das Finanzamt versagte den Sofortabzug und behandelte die Abfindungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten. 

Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. 

Entscheidung des BFH

Der BFH hat den sofortigen Abzug der Aufwendungen zugelassen. Er hat klargestellt, dass die Miederabfindungen keine Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG darstellen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt. Diese Begrenzung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die von "Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen" spricht. Erforderlich ist demnach, dass es sich um Aufwendungen für die bauliche Maßnahme selbst handelt. 

Hinweis

Abfindungen an Mieter können aber nach § 255 Abs. 2 HGB zu den Herstellungskosten zählen, wenn das Gebäude abgerissen und ein neues Gebäude errichtet werden soll.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 20.09.2022 IX R 29/21

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