Besteuerung der Energiepreispauschale verfassungswidrig?

Einkommensteuer

Die Energiepreispauschale (EPP) von 300 EUR sollte im Jahr 2022 diejenigen Bevölkerungsgruppen entlasten, denen typischerweise Fahrtkosten im Zusammenhang mit ihrer Einkünfteerzielung entstehen und die aufgrund der Energiepreisentwicklung diesbezüglich stark belastet sind. Sie ist in der Regel steuerpflichtig, sodass sich die Nettoentlastung entsprechend der persönlichen Steuerbelastung mindert.

Anspruch auf die EPP hatten alle Personen, die während des Jahres 2022 in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und Einkünfte aus einer der folgenden Einkunftsarten bezogen:

  • Land- und Forstwirtschaft,
  • Gewerbebetrieb,
  • selbständige Arbeit oder
  • Einkünfte als Arbeitnehmer aus einer aktiven Beschäftigung.

Zunächst gehörten Bezieher von Alterseinkünften nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten der EPP. Versorgungsempfängern des Bundes und Rentnern wurde sie dann jedoch ebenfalls zugestanden. Der Gesetzgeber fügte zwei neue Normen in das EStG ein, die die Steuerpflicht der Energiepreispauschale regeln, § 19 Abs. 3 EStG – für Versorgungsempfänger – und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe c EStG – für Rentner.

Arbeitnehmer erhielten die EPP in der Regel vom inländischen Arbeitgeber ausgezahlt, wenn sie unbeschränkt steuerpflichtig sind und am 1. September 2022

  1. in einem ersten Dienstverhältnis standen und
  2. eine der Steuerklassen I bis V hatten oder Minijobber waren und dem Arbeitgeber schriftlich bestätigten, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt.

Sie wurde wie Arbeitslohn als Einnahme für das Jahr 2022 berücksichtigt und damit Lohnsteuer einbehalten. 

Das BMF hat inzwischen bestätigt, dass für die EPP der sog. Härteausgleich greift, wenn die Auszahlung nicht durch den Arbeitgeber erfolgte, sondern erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung.

Bei Anspruchsberechtigten, die keine Arbeitnehmer waren, wurden die Einkommensteuer-Vorauszahlungen gemindert. Die EPP ist dann im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung als „sonstige Einkünfte“ zu behandeln, wobei die Freigrenze nach § 22 Nr. 3 Satz 2 EStG i. H. v. 256 EUR keine Anwendung findet.

Ob sich die EPP aber tatsächlich einer Einkunftsart zuordnen lässt, wird derzeit bezweifelt – zum Beispiel von Professor Hans-Joachim Kanzler, der früher Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof war. Er sagt, die EPP sei eine Subvention und keine Einkunftsart im Sinne des Steuerrechts.  Der Gesetzgeber greife ohne sachliche Rechtfertigung in die Systematik der Einkunftsarten ein und überschreite die bundesstaatlichen Kompetenzschranken.

Der Gedanke, dass es sich um keine Einkunftsart im Sinne des EStG handelt, ist nachvollziehbar. Denn die Arbeitnehmer haben die EPP nicht als Gegenleistung für ihre Arbeit erhalten. Die Auszahlung durch die Arbeitgeber war lediglich eine Lösung, um möglichst unkompliziert viele Anspruchsberechtigte der EPP zu erreichen. Um Arbeitslohn handelt es sich dabei auf keinen Fall.

Auch sonstige Einkünfte gem. § 22 EStG bei allen anderen Anspruchsberechtigten lassen sich nur schwer begründen, da immer irgendeine Art von Leistung verlangt wird. Die EPP gab es aber ohne jegliche Leistung.

Daraus könnte man schließen, dass auf die EPP nicht steuerpflichtig hätte sein dürfen. Andererseits war die Intention des Bundes: Wer wenig verdient, sollte mehr von der Pauschale haben, wer viel verdient, braucht weniger Unterstützung und sollte entsprechend weniger von der Zahlung behalten dürfen. Das lässt sich am einfachsten über eine Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz regeln. Nicht mehr erklären lässt sich jedoch, dass für diejenigen Arbeitnehmer, die die EPP nicht vom Arbeitgeber, sondern erst im Rahmen der Veranlagung erhalten haben, der Härteausgleich greifen soll.

Mit der Einkommensbesteuerung der EPP muss sich nun das FG Münster beschäftigen (Az. 14 K 1425/23).

Das Verfahren betrifft nur den dort verhandelten Einzelfall – sollte das Verfahren aber irgendwann vor dem Bundesfinanzhof oder sogar vor dem Bundesverfassungsgericht landen, können alle davon profitieren. Allerdings muss dafür der Einkommensteuerbescheid 2022 offen gehalten werden. Es sollte daher ggfs. Einspruch eingelegt und Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen beantragt werden. Ein Anspruch auf Ruhenlassen des Einspruchs besteht zwar nicht, aber einen Versuch ist es wert.

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