Berufsausbildung nach langjähriger gewerblicher Tätigkeit

Einkommensteuer

Aufwendungen für eine Berufsausbildung sind ohne den vorherigen Abschluss einer Erstausbildung nicht als Werbungskosten abzugsfähig, auch wenn der Steuerpflichtige zuvor langjährig Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit erzielt hat.

Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium stellen keine Werbungskosten oder Betriebsausgaben dar. Sie sind nur beschränkt als Sonderausgaben abzugsfähig. Der Sonderausgabenabzug für Erstausbildungskosten ist bis zu einem Betrag von 6.000 EUR jährlich zulässig, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Ist einer Bildungsmaßnahme eine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Erststudium vorausgegangen, handelt es sich bei den durch die weitere Berufsausbildung veranlassten Aufwendungen um Betriebsausgaben oder Werbungskosten, wenn ein hinreichend konkreter, objektiv feststellbarer Zusammenhang mit später im Inland steuerpflichtigen Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit besteht.

Der Streitfall

In der Zeit von 2001 bis 2003 hatte Lothar Laut (L) ein 20-monatiges Praktikum bei einer Firma der Veranstaltungstechnik absolviert. Die dort erworbenen Kenntnisse in den Bereichen der Veranstaltungstechnik und des Veranstaltungsmanagements nutzte er im Anschluss an das Praktikum, um ein eigenes Gewerbe im Bereich der Veranstaltungs- und Showtechnik zu betreiben.

Im Februar 2005 erwarb L zunächst die Privatpilotenlizenz für einmotorige Flugzeuge nach Sichtflugregeln. 2011 erwarb er dann die Nachtflugberechtigung, 2017 die Instrumentenflugberechtigung für ein- und mehrmotorige Flugzeuge (Berufspilotenlizenz) und 2018 die Musterberechtigung für den Airbus A 320.

Die von L als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer in den Streitjahren 2016 und 2017 hat das Finanzamt lediglich als Sonderausgaben i.S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 des EStG berücksichtigt. Damit war L nicht einverstanden. Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht hatten keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH kommt – wie auch das Finanzgericht – zu der Auffassung, dass die Ausbildungskosten zum Verkehrsflugzeugführer nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, sondern lediglich als Sonderausgaben i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind.

Lothar hat vor Beginn seiner Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer keine Berufsausbildung abgeschlossen.

Die Voraussetzungen für eine Erstausbildung sind in § 9 Abs. 6 EStG explizit geregelt. Diese Anforderungen erfüllt das von Lothar absolvierte Praktikum nicht. Er hat mit dem Praktikum weder eine geordnete Ausbildung durchlaufen, noch hat er eine Abschlussprüfung absolviert.

Die mehrjährige gewerbliche Tätigkeit von Lothar lässt sich auch nicht unter das Tatbestandsmerkmal "Berufsausbildung als Erstausbildung" in § 9 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG subsumieren.

Lothar hat die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer auch nicht im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses absolviert.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 15.02.2023 VI R 22/21

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