Änderung von Steuerbescheiden bei rückwirkenden Ereignissen

Abgabenordnung

Wann liegt ein rückwirkendes Ereignis vor und in welchem Umfang ist ein Steuerbescheid dann zu ändern? Zu dieser Frage hat sich jüngst des BayLfSt geäußert.

Das BayLfSt hat sich in einer aktuellen Verfügung mit der Korrekturnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO befasst.

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ermöglicht es, Ereignisse, die bei Erlass des Bescheides noch nicht vorgelegen haben, nachträglich steuerlich zu berücksichtigen, wenn sie in die Vergangenheit zurückwirken. Ein zunächst fehlerfreier Steuerbescheid wird durch Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses rechtswidrig und muss daher korrigiert werden.

Die Verwaltungsanweisung stellt klar, dass nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sondern nur den Einzelsteuergesetzen entnommen werden kann, ob einem Ereignis steuerliche Rückwirkung für die Vergangenheit zuzumessen ist.

  • Bei einmaligen Steuern (z. B. GrESt oder ErbSt) stellt ein nachträglich eingetretener Sachverhalt in der Regel ein rückwirkendes Ereignis dar, weil nur der eine Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden kann.
  • Bei laufend veranlagten Steuern wirken sich Ereignisse, die nach Ablauf des Veranlagungszeitraums eintreten, regelmäßig nicht rückwirkend aus, sondern betreffen den neuen Veranlagungszeitraum. Dies gilt insbesondere für Vorgänge, die an Zu- und Abfluss von Zahlungen knüpfen.

Daher ist immer vorrangig zu prüfen, ob das jeweilige Einzelsteuergesetz eine spezielle Änderungsvorschrift (z. B. § 10d EStG oder § 17 UStG) enthält. Auch Bedingungen und Befristungen nach § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 2 und 8 BewG sind vor Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu prüfen.

Umfang der Änderung

Es erfolgt keine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalls, sondern lediglich eine punktuelle Änderung des Bescheides. Dabei ist § 177 AO zu beachten. Es dürfen aber auch Rechtsfehler, die nicht von § 177 AO erfasst werden, korrigiert werden, soweit die Änderung reicht.

Festsetzungsfrist

Die Festsetzungsfrist für den Erlass, die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO). Für den Fristbeginn kommt es nicht darauf an, wann das Ereignis dem FA bekannt wird. Dieser besondere Fristbeginn ist auf den Umfang der sich durch den Eintritt des rückwirkenden Ereignisses ergebenden steuerlichen Auswirkung beschränkt.

Beispiele für das Nichtvorliegen von rückwirkenden Ereignissen

Das BayLfSt nennt in seiner Verfügung einige Beispiele, in denen es sich nicht um ein rückwirkendes Ereignis handelt. Das sind z. B.:

Weitere Beispiele zu Einzelsteuergesetzen können Sie der Verwaltungsanweisung entnehmen.

§ 175 Abs. 2 AO

Von der Vorschrift werden Fälle erfasst, in denen zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung die – an einen bestimmten Zeitraum anknüpfenden – Voraussetzungen für die Gewährung einer Vergünstigung vorgelegen haben, die jedoch später wegfallen. § 175 Abs. 2 AO ist vornehmlich anzuwenden, wenn Wirtschaftsgüter eine bestimmte Zeit im Betriebsvermögen verbleiben müssen (z. B. für Sonderabschreibungen) oder wenn Steuervergünstigungen zur Erfüllung eines bestimmten gesetzgeberischen Zwecks gewährt werden und die Voraussetzungen entweder im Gesetz selbst benannt sind oder durch besonderen Verwaltungsakt festgestellt wird, dass sie eine Voraussetzung für die Steuervergünstigung darstellen. Die Vorschrift fingiert somit die Rückwirkung eines Ereignisses.

Nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung

Beweismittel, die ausschließlich dazu dienen, eine steuerrechtlich relevante Tatsache zu belegen und die als solche keinen Eingang in eine materielle Steuerrechtsnorm gefunden haben, sind auch dann kein rückwirkendes Ereigniswenn sie erst nach Bestandskraft des Bescheides beschafft werden konnten. Eventuell kommt hier eine Änderung nach § 174 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

Fazit

Die aktuelle Verfügung des BayLfSt gibt Hinweise, ob eine Änderung eines Bescheides aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses möglich ist.

Fundstelle

BayLfSt, 18.01.2024

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